PDF: Der rote Faden – Von der Redensart zum Geschichtsbild
Der «rote Faden» geht auf das 18. Jahrhundert zurück. Damals begann die Royal Navy, die königlich britische Marine, in all ihre Seile und Taue einen durchlaufenden roten Faden eindrehen zu lassen. So wurde selbst das kleinste Stück als Besitz der Krone kenntlichgemacht und dadurch vor Diebstahl geschützt. Das Prinzip der farbigen Kennlitze für die Eigentümerzugehörigkeit ist heute noch üblich; in einen der drei bis sechs Stränge, welche um die Seele des Seiles gewunden sind, wird ein farbiger Faden eingedreht. Goethe überliefert in seinen «Wahlverwandtschaften» den roten Faden, und er selbst benützt diesen als Metapher für die Leitlinie in seinen schriftlich niedergelegten Gedanken. Dahinter steht allerdings die sehr viel ältere Vorstellung des Lebensfadens, der von den Moiren, den Schicksalsgöttinnen, gewoben wird. Die Königstochter Ariadne rettet den Theseus mit Hilfe eines Fadens aus dem Labyrinth ihres Vaters. Die beiden fliehen gemeinsam, doch dann verlässt Theseus seine Geliebte, da ihn sein Lebensfaden zu weiteren Abenteuern führt.
Damit sind wir mit der Redensart, die unserem Buch den Titel gab, bereits mitten im Thema auf einer vordergründigen, klaren und dann noch einer hinter- oder tiefgründigen, nicht immer vollauszuleuchtenden Ebene. Auf beiden soll uns der «rote Faden» in die Tiefe der Geschichte hineinführen. (…)