Andres Furger Titelbild - Deutsche Wagenbauer in Amerika

PDF: Deutsche Wagenbauer in Amerika und wie sie ihre Landsleute überholten

Einige Namen amerikanischer Wagenfabriken der Zeit um 1900 klingen deutsch, wie Lichtenberger, Roeder oder Brunn. Wie kam das? Im Folgenden wird den Erfolgsgeschichten tüchtiger deutscher Handwerker nachgespürt, die in jungen Jahren auszogen und in den Vereinigten Staaten eine blendende Karriere hinlegten. Sie entwickelten dort nicht nur neue, leichtere Kutschenmodelle, sondern auch rationellere Fertigungsmethoden. Das steigerte sich noch im nachfolgenden Karosseriebau. Solche Fortschritte wirkten seit der Zeit um 1850 in Wellen auf Europa zurück.

Die meisten nach Nordamerika emigrierten Deutschen waren im Landbau beschäftigt, dicht gefolgt von in der Industrie als spezialisierte Handwerker Tätigen. Dazu gehörte der boomende Wagenbau. Im Jahre 1880 wurde in Amerika bereits eine Million Fahrzeuge von 80.000 Wagenbauern produziert. Dazu gehörten 6.000 Deutsche; also war dort fast jeder Zehnte Wagenbauer ein Deutscher! Diese Zahlen erscheinen hoch, sind aber vor dem grösseren Kontext leicht zu erklären: Erstens machten damals, was man heute kaum noch weiss, die Deutschen die grösste ethnische Bevölkerungsgruppe in den Vereinigten Staaten aus und zweitens emigrierten aus Deutschland viele Facharbeiter nach Amerika. Deutsche wurden wegen ihrer sorgfältigen Arbeit geschätzt und der Bedarf im prosperierenden Wagenbau an zuverlässigen Facharbeitern war gross. Dazu kam, dass sich deutsche Emigranten besonders in den Gegenden niederliessen, in denen der Wagenbau bereits etabliert war, im Mittleren Westen.

Die neuen Wagenfabriken konzentrierten sich auf den sogenannten „German Belt“, ein Gürtel durch mehrere Staaten von Pennsylvania über Ohio, Indiana, Illinois und bis Iowa mit einem hohen Anteil an deutschstämmigen Siedlern, zum Teil mit einem Anteil von mehr als der Hälfte der Bevölkerung. Dafür ist die deutsche Gründung Mifflinburg in Pennsylvania ein gutes Beispiel. Schon 1845 begannen dort die zugereisten Siedler mit dem „Buggy business“. Bei einer Einwohnerzahl von 800 Seelen wies das Städtchen 10 Jahre später schon 13 Wagenbaubetriebe auf, 1880 schon 50 Produzenten. Das trug der Stadt den Übernamen „Buggy town“ ein.