PDF: LEITERWAGEN – STUHLWAGEN – BERNERWAGEN:
Regionale Wagenmodelle mit gemeinsamen Vorbildern
Über die verschiedenen Kutschenmodelle des 19. Jahrhunderts, wie sie in ganz Europa weit verbreitet waren, gibt es aus neuerer Zeit einige Fachliteratur, vor allem über die so genannten Luxuswagen. Bisher noch eher stiefmütterlich behandelt wurden indessen die ländlichen und regionalen Modelle. Dazu gehören der Stuhlwagen, der besonders in Norddeutschland lange populär blieb, und der Berner- oder Schweizer Wagen, der auch im Elsass und in Süddeutschland anzutreffen war. Im Gegensatz zu den städtischen Luxuswagen, die von in London und Paris ausgebildeten Wagenbauern entworfen und dann über Fachzeitschriften verbreitet wurden, ist die Sache bei den ländlichen Wagen komplizierter – aber auch interessanter. Die ländlichen Modelle fussen nicht selten auf älteren Vorbildern. Dazu gehören die aus dem mittelalterlichen Leiterwagen zu Personenfahrzeugen weiter entwickelten Stuhl- und Bernerwagen.
Der Kulturhistoriker sucht nach Zusammenhängen und Entwicklungen. Der Schreibende sieht heute die grossen Linien des Weges vom Leiter- zum Stuhl- und dann zum Bernerwagen folgendermassen: Der Leiterwagen war bereits in der Antike als bäuerliches Fahrzeug weit verbreitet. Seine Kennzeichen waren ein langes, ungefedertes vierrädriges Gestell mit Reibscheitlenkung und länglichem Kasten mit seitlichem, leiterförmigen Aufbau zum Transport von verschiedenen Waren. Daneben gab es in der Antike spezielle, schon gefederte Personenwagen. Diese verschwanden im Frühmittelalter, als das römische Überland-Strassensystem weitgehend zerfiel. Der Leiterwagen lebte jedoch in landwirtschaftlich geprägten Regionen als bäuerliches Fahrzeug weiter. In der Frühen Neuzeit, seit dem 16. Jahrhundert, wuchs erneut das Bedürfnis nach Personentransporten auf dem Landweg. (…)